Mathematik fürs Gymnasium: Neues Lehrmittel im Papierformat

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Wie soll ein Mathematik-Lehrmittel im digitalen Zeitalter aussehen? Soll es überhaupt noch als Buch erscheinen? Der ETH-Fachdidaktiker für Mathematik und Gymnasiallehrer, Armin P. Barth, macht einen originellen Vorschlag. Seine vierteilige Buchreihe heisst „Mathematik fürs Gymnasium“ und zwei Bände liegen nun vor. Im Zeitalter von Wolfram Alpha und ChatGPT setzt Barth voll auf analoge Handarbeit in der Mathematik. Die Jugendlichen sollen Mathematik begreifen, indem sie Gedankenexperimente machen und sich im Erklären üben. Repetitives Üben ist passé. Ein spannender Ansatz.

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Viele Gewissheiten, die sich über die letzten Jahrzehnte in der Fachdidaktik etabliert haben, werden derzeit einem Realitätscheck unterzogen. ChatGPT schreibt pfannenfertige Texte zu fast allen in der Schule unterrichteten Themen. Wolfram Alfa oder Mathpix können bereits recht komplizierte mathematische Probleme und Aufgaben lösen. Was sollen die Schülerinnen und Schüler überhaupt noch lernen? Und vor allem wie?

Armin P. Barth, Mathematiklehrer an einem Gymnasium und Mathematik-Fachdidaktiker an der ETH, hat einen interessanten Weg gefunden.

Resultate aus der Lernforschung

Barth stützt sich in seinen Büchern auf aktuelle Resultate aus der Lernforschung. Diese besagt unter anderem, dass der Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern dann sehr gross ist, wenn sie Erkenntnisse, Fakten und Zusammenhänge jemandem anderen erklären müssen. Barth hat dies zum Prinzip erhoben in seinen Büchern.

Zentraler Betandteil jedes Kapitels bildet deshalb eine Sammlung von „Selbsterklärungsaufgaben“. Diese sehen beispielsweise so aus:

Erklären Sie einem fiktiven Laien, was für Dreiecksprobleme wir dank dem Sinussatz lösen können, die wir vorher noch nicht hätten lösen können.

Mit diesem Ansatz wird gemäss dem Autor sichergestellt, dass die Lernenden nicht einfach nur (eventuell unverstandene) Prozeduren auswendig lernen.

Teil von diesen Selbsterklärungsaufgaben sind auch auch Aufgaben vom Typ: Anna behauptet, dass log(0)=0 sein muss, weil ja schliesslich 10 hoch 0 = 0 gilt. Können Sie Anna über ihren Fehler aufklären?

Damit lernen die Schülerinnen und Schüler typische Fehler kennen und sprechen darüber. Dadurch sollen sie diese Fehler nicht mehr oder weniger selbst begehen.

Konzepte verstehen

Die Bücher von Armin P. Barth zielen darauf ab, dass sich die Lernenden mit den Konzepten der Mathematik auseinandersetzen und sich diese aneignen. Dazu sind alle Kapitel im Buch genau gleich aufgebaut:

1. Selber erforschen

Start in jedes Kapitel sind Erforschungs-Aufgaben. Dabei versucht der Autor an Vorkenntnisse der Lernenden anzuknüpfen und stellt Fragen aus dem Alltag oder präsentiert Fragestellungen aus der Geschichte der Wissenschaften. In diesen Forschungsaufgaben kommen meistens keine Formeln vor und es wird noch nichts von der Theorie erklärt.

2. Theorieteil, Lesetext

Im zweiten Teil wird das Thema gut und mit recht viel Text erklärt. Es werden Beispiele Schritt für Schritt durchgerechnet und die wichtigsten Definitionen und Theoreme eingeführt und erklärt.

3. Selbst erklären

In diesem Abschnitt werden die Lernenden aufgefordert, gewonnene Erkenntnisse in eigenen Worten darzustellen. Damit dies gelingt, müssen sich die Schülerinnen und Schüler ein Konzeptwissen aneignen, das über oberflächliches Auswendiglernen hinausgeht. Bei diesen Aufgaben hilft auch kein Computeralgebrasystem oder ein ChatGPT.

4. Üben und Anwenden

Dieser Teil darf natürlich in keinem Mathe-Buch fehlen. Denn nur beim Selberlösen von Aufgaben sehen die Schülerinnen und Schüler, ob sie das Gelernte auch anwenden können. Mit diesen Aufgaben wird das Gelerne gefestigt.

5. Lernzielkontrolle

Dieser Bereich ist im Buch selbst nicht vorhanden, sondern nur über das zugehörige e-Book verfügbar. In diesem Abschnitt geht es darum, dass die Schülerinnen und Schüler das Gelernte selbst einordnen und sich Fragen zu ihrem Lernfortschritt stellen. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit einem Test. Die entsprechenden Fragen bietet das Buch ebenfalls nur im e-Book an.

Auf Papier, sehr aktuell

Von einem Mathematik-Lehrmittel, das 2023 erscheint, könnte man denken, dass es zwingend irgendwie digital sein muss. Doch das muss nicht sein. Armin P. Barth zeigt mit seiner Buchreihe einen Weg auf, wei Mathematik auf sehr moderne Art und Weise vermittelt werden kann. Er verzichtet auf digitalen Bling-Bling, der nicht wirklich etwas zum Lernerfolg beiträgt, sondern reduziert sich selbst aufs Wesentliche.

Nachdem die Bücher noch sehr neu sind, gibt es in unserer Fachgruppe noch keine wirkliche Erfahrungen mit der Reihe, die ich hier präsentieren könnte. Aber der Ansatz mit den Erforschungs- und den Selbsterklärungsaufgaben scheint ein sehr erfolgsversprechender Weg zu sein, Mathematik zu unterrichten.

Die Reihe, die beim hep-verlag erscheint, ist auf vier Bücher ausgelegt. Die ersten zwei sind bereits erschienen und im Bücherhandel erhältlich. Jedes Buch kostet ca. 55 Franken.

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