Wird Big Data zum Lehrer 2.0?

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Adaptives Lernen ist eine tolle Sache. Man löst online Aufgaben, schlägt Informationen nach oder schaut sich ein Video an. Im Hintergrund analysiert eine Software das eigene Verhalten und schlägt einem weitere Aufgaben oder sonstige Lerngelegenheiten vor. Sehr wahrscheinlich wird das die Lernform der Zukunft sein. Werden wir als LehrerInnen überflüssig? Ist das ein Vorteil für die SchülerInnen – oder nur für die Softwarefirmen? Ein Übersichts-Artikel im Juli-Heft des „Spektrum der Wissenschaft“ zeigt die aktuellen Entwicklungen sowie die Argumente dafür und dagegen auf.


Individuelles Lernen ist aller Voraussicht nach das Stichwort für die Schule der Zukunft. In vielen Ausbildungsstätten wird versucht, den Unterricht auf die die Fähigkeiten jeder Schülerin und jedes Schülers einzeln abzustimmen. Die Lernenden sollen die Möglichkeit erhalten, in ihrem eigenen Tempo zu lernen und möglichst wenig Frustrationen und dafür einen möglichst grossen Lernfortschritt zu erleben.
Eine gute Lehrerin oder ein guter Lehrer ist in der Lage, so zu unterrichten. Vieles hängt dabei von der Persönlichkeit der Lehrperson ab. Unterrichten ist keine Wissenschaft und hat viel mit Intuition, Gefühlen und Beziehungen zu tun. Unterrichten hat auch sehr viel mit Überzeugung zu tun. So wundert es denn auch nicht, dass viele Lehrende von ihrem Unterrichtsstil überzeugt sind. Würde man die Resultate jedoch mit wissenschaftlichen Mitteln untersuchen, würden viele der Methoden keinen Bestand haben.

„Wissenschaftliche Mittel“ anwenden, bedeutet aber Statistiken zu erstellen und zu prüfen, bei wie vielen Lernenden eine Methode das erwünschte Resultat erzielt. Hätte man solche Resultate, könnte man die Methoden verfeinern und die Lernenden in verschiedene Lerntypen einteilen und einen Unterricht machen, der auf die entsprechende Lerngruppe abgestimmt ist. Auf die Spitze getrieben, könnte man mit einem solchen Ansatz für jede Schülerin und jeden Schüler einen individuell abgestimmten Unterricht bieten.

Die Software weiss alles

Genau das ist der Plan von vielen Firmen, die adaptive Lernsoftware entwickeln. Jeder Lernschritt, jedes Nachschlagen einer Information, jede Pause, überhaupt alles merkt sich die Software und erstellt damit ein Profil der lernenden Person. Weil die Software tausende solcher Profile kennt, weiss sie, welche Information anderen Menschen in der gleichen Situation geholfen hat und bietet genau diese Information an.
Dafür bräuchte man eigentlich nicht mehr zur Schule zu gehen. Solcherart Lernen geht überall – vorausgesetzt man hat Zugang zu einem Computer und zum Internet. Die Lehrperson wirkt dabei als Tutor und Organisator der Veranstaltung. Bereitstellen der Inhalte, Überwachung der Lernfortschritte und auch die Notengebung übernimmt die Software.
An der Arizona State University (ASU) in Phoenix in den Vereinigten Staaten werde seit einigen Jahren tausende von Studierenden mit computergesteuerten Kursen in Mathematik ausgebildet. Bis zum kommenden Herbst sollen weit über 20’000 Lernende so unterrichtet werden.
Auch in Europa wird an Konzepten für den Einsatz von adaptiver Software herumgedacht. So soll der nächste Pisa-Test der OECD, der 2015 durchgeführt wird, adaptive Komponenten enthalten, um schwer messbare Fähigkeiten wie kooperatives Problemlösen zu bewerten.
Viele MeinungsträgerInnen halten viel von adaptivem Lernen und gehen davon aus, dass das in Zukunft einen wichtigen Teil in der Bildungslandschaft einnehmen wird. Zudem hat die Stiftung des Microsoft-Gründers Bill Gates im Rahmen eines „Adaptive Learning Market Acceleration Program“ an zehn Colleges und Universitäten je 100’000 Dollar vergeben für die Entwicklung adaptiver Kurse.

Viele Ängste

Eine solche Art des Lernens wirft aber bei aller Euphorie viele Fragen auf. Neben der Frage der zukünftigen Rolle der Lehrperson in einem solchen Prozess ist die wichtigste natürlich: „Was geschieht mit den Unmengen von Daten und wer darf sie wofür nutzen?“ Und genau diese Frage bringt vielerorts die Gegner aufs Tapet die sich vor dem Datenkraken fürchten. So musste etwa in den Vereinigten Staaten die Firma inBloom ihren Dienst nach massiven Protesten wieder einstellen. Das Non-Profit-Unternehmen hatte ein Datenformat entwickelt und stellte externen Speicherplatz für die Sammlung von Schülerdaten zur Verfügung. Dieses Datenformat sollte dann kompatibel sein mit Lernprogrammen von Drittanbietern.

Fachleute uneins

Auch in der Fachwelt sind die Meinungen zum adaptiven Lernen nicht einhellig. Einige wichtige Argumente finden sich unter e-teaching.org. Dort legen zwei Wissenschafter und ein Datenschutzbeauftragter interessante Argumente für und gegen adapatives Lernen und die dazugehörige Datensammelwut dar.

Links:

– Artikel im „Spektrum der Wissenschaft“ (muss gekauft werden): http://www.spektrum.de/alias/paedagogik/individuelles-lernen-per-computer/1288614 
– e-teaching.org (Pro und Kontra Learning Analytics): http://www.e-teaching.org/community/meinung/pro_con_learning_analytics  

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