„Total berechenbar?“ – Ein gutes Buch über Big Data

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Der Begriff „Big Data“ beflügelt in den letzten Jahren unsere Phantasie, unsere Ängste und die Kommentare in der Presse. „Big Data“ steht für alles Gute und alles Schlechte , wozu das Internet fähig ist. Was steckt dahinter? Ist „Big Data“ wirklich etwas Gefährliches? Der Autor Christoph Drösser bricht in seinem neusten Buch „Total berechenbar? Wenn Algorithmen für uns entscheiden“ das Thema auf eine verständliche Ebene herunter. Für ihn sind es Algorithmen, die die „Big Data“-Flut bewältigen. Will man verstehen, was läuft, muss man Bescheid wissen über die wichtigsten Algorithmen. In seinem Buch erklärt er diese und liefert gleich sehr schöne Beispiele, die man direkt auch im Unterricht einsetzen könnte.

Mit jedem Klick, jedem Download, jedem Login, jedem Like, den wir im Internet tätigen, hinterlassen wir irgendwo eine Datenspur. Die verschiedenen Gegenüber – meist grosse Internetfirmen, aber auch Geheimdienste, Polizei, Hacker und andere Betrüger – sind an diesen Daten sehr interessiert, verraten sie doch sehr viel über uns, und zwar in Bereichen, über die wir sonst nicht freiwillig Auskunft geben. „Big Data“ ist der Überbegriff, der für die Datensammelwut im Internet steht.

Die wildesten Gerüchte und Ängste kursieren darüber, was alles gesammelt und vor allem, was mit den gesammelten Daten alles angestellt wird. Ein Beispiel gefällig?
Die „New York Times“ berichtete 2012 von einer Schülerin, die von einer Warenhauskette plötzlich Werbung für Baby-Kleider und Baby-Nahrung erhielt. Der Vater, der auf die Werbung aufmerksam wurde, meldete sich erbost beim Warenhaus. Dieses entschuldigte sich höflich. Doch einige Wochen später eröffnete die Tochter ihrem Vater, dass sie tatsächlich schwanger sei.
Wie konnte die Warenhauskette das wissen, noch bevor die Frau selbst davon wusste? Antwort: Das Warenhaus hat aufgrund des Suchverhaltens der Frau seine Schlüsse gezogen. Das ist „Big Data“!

Total berechenbar?

Dieses Beispiel wird auch im Buch „Total berechenbar?“ von Christoph Drösser zitiert, und auch gleich aufgelöst. Denn die junge Frau selbst wusste sehr wohl von ihrer Schwangerschaft. Allerdings hatte sie es nicht geschafft, die Tatsache auch ihren Eltern mitzuteilen. Heimlich hatte sie im Online-Shop nach Artikeln gesucht, für die sich meist nur schwangere Frauen interessieren.
Dennoch tut man gut daran, wenn man Bescheid weiss, was im Bereich „Big Data“ gerade angesagt ist; als Lehrperson, als SchülerIn und überhaupt.
„Total berechenbar?“ gibt einen guten Überblick über aktuelle Fragestellungen. Der Autor bricht das Thema herunter auf die Fakten, die zählen. Und für Drösser stehen hinter dem etwas schwammigen Begriff „Big Data“ Algorithmen. Diese sind es, die die unglaublichen Mengen an Daten irgendwie auswerten, interpretieren und die Verbindungen untereinander herstellen. Diese Algorithmen jedoch sind – jeder einzelne – von Menschen entworfen und entwickelt worden. Also kann man sie auch verstehen und begreifen.

Von Page-Rank bis Partnervermittlung

Das Buch geht der Reihe nach die wichtigsten Algorithmen durch, die für die Auswertung von grossen Datenmengen eingesetzt werden. Zuallererst mit dem Page-Rank von Google, der die Resultate der Suchmaschine so ordnet, dass möglichst relevante Seiten zu oberst stehen. Dieser Page-Rank-Algorithmus war es auch, der die Entwicklung 1998 in Gang setzte. Er ermöglichtes es Google, zum Riesen von heute zu werden und nicht nur über Internet-Seiten sondern auch über uns Nutzer selbst unglaubliche Datenmengen zu sammeln.
Die vorgestellten Algorithmen gehen vom Routen-Berechnungs-Algorithmus über die Empfehlungen von Amazon und Netflix, den News-Feed von Facebook und Verschlüsselungs-Alogrithmen bis zur Vorhersage des geeigneten Lebenspartners und künstlicher Intelligenz.
Dabei stellt der Autor die Algorithmen an gut nachvollziehbaren Beispielen dar, erklärt im Detail, wie sie funktionieren, was sie können und was nicht. Zudem erläutert er die Funktionsweise an realen Beispielen, die man selbst aus dem Internetalltag kennt.

Mathematik

Drössers Erläuterungen lesen sich sehr flüssig. Der Mathematiker wählt dabei seine Beispiele sehr geschickt, so dass auch Nichtmathematiker und Nicht-Informatikerinnen verstehen,  wie die Mechanismen funktionieren. Die Beispiele sind so gut gewählt, dass man sie teilweise direkt in den Unterricht übernehmen könnte. So ist beispielsweise der Algorithmus, der uns auf Netflix oder Amazon Vorschläge für Filme und Bücher macht, eine Anwendung, die man direkt im Mathematik-Unterricht im Bereich Vektorgeometrie studieren kann. Den SchülerInnen wird an diesem Beispiel ganz bestimmt klar, was ein 5-dimensionaler Raum ist, wie man in diesem Raum einen Abstand zwischen zwei Punkten berechnet und wieso es verschiedene Masse für Distanz geben kann.

Kritische Diskussion

Der Autor ist offensichtlich fasziniert von den Möglichkeiten, die dieses neue Gebiet der Mathematik und Informatik eröffnet. Dennoch fehlt auch die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema nicht. Viele Kapitel werden mit realen Beispielen und einer ausgiebigen, kritischen Diskussion der möglichen Folgen eröffnet. Erst nachdem der ethische und gesellschaftliche Rahmen abgesteckt ist, folgen die technischen Erläuterungen.

Empfehlung

Wer sich dafür interessiert, das Thema „Big Data“ im Unterricht in irgendeiner – nicht zwingend technischen – Form zu behandeln, erhält mit „Total berechenbar?“ einen sehr guten Überblick über das Feld. Zudem erfährt man teilweise auch sehr detailliert und nachvollziehbar, was auf technischer Ebene im Bereich „Big Data“ passiert. Eine ideale Lektüre für die Herbstferien, wenn die Abende wieder länger werden und man wieder gerne drinnen sitzt.
Details zum Buch:
„Total berechenbar? Wenn Algorithmen für uns entscheiden“, Christoph Drösser,  Hanser Verlag, München, 2016, 256 Seiten, ISBN 978-3-446-44699-1.

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