und Architektur müssen beim Gestalten neuer Lernräume zusammenarbeiten. Neben dem analogen
gibt es einen digitalen Lernraum, der diesen erweitert und ergänzt. Auch der Einfluss von Mobilität muss mitberücksichtigt werden.
Im Lehrer Twitter-Chat #EDchatDE diskutierten wir am 17.11.2015 zum Thema „Erweiterte Lernwelten und das Schulhaus der Zukunft“ Fragen wie: Hat das klassische
Schulzimmer im Schulhaus der Zukunft ausgedient? Wie unterstützen gute
Schulbaukonzepte modernes Lehren und Lernen? Wie können unsere Lernwelten erweitert werden, dass analoge
und digitale Lehr- und Lernmodelle optimal zusammenspielen?
Horizon Report 2015: Neugestaltung von Lernräumen
Die Neugestaltung von Lernräumen wird im Horizon Report 2015 als ein kurzfristiger Trend im Zeithorizont von ein bis zwei Jahren eingestuft:
Lernformen neue Lehr- und Lernräume erfordern. Mehr und mehr Universitäten
unterstützen diese neuen Lehrmodelle, wie z. B. Flipped Classroom, indem sie
Lernumgebungen neu gestalten, um ein aktiveres Lernen zu ermöglichen.
Lehr-/Lernumgebungen werden zunehmend so gestaltet, dass sie projektbasierte
Interaktionen unter Einbeziehung von Mobilität, Flexibilität und der Verwendung
diverser Endgeräte ermöglichen (Horizon Report 2015, S. 18).
Die Unterrichtsräume an Universitäten würden den Arbeitsplätzen und sozialen Umgebungen der realen Welt immer ähnlicher. Die Institutionen rüsten ihr Breitband-WLAN auf und richten ‚Smart Rooms‘ ein, die Web-Conferencing und andere Methoden der kollaborativen Fernkommunikation unterstützen (Horizon Report 2015, S. 18). Anstelle klassischer Stuhlreihen kreierten Universitäten dynamischere Raumausstattungen mit Bestuhlungsformen, die die Zusammenarbeit fördern und damit das flexible oder aktive Lernen unterstützen. Eingangsbereiche, Innenhöfe und Flure würden gezielt umgestaltet zu Begegnungsorten. Grosse Veränderungen erführen auch die Hochschulbibliotheken, wo informelle Lernbereiche im Kontext der aufkommenden Maker-Bewegung neu gedacht würden.
Philippe Wampfler: „Ein Haus für die erweiterte Lernwelt“
Philippe
Wampfler fragt, ob die Schule der Zukunft zum “hochtechnisierten Lernkraftwerk”
werde, zur “Oase der Konzentration” oder zum “Hort der Gemeinschaft” (S. 32). In seinem Artikel „Ein Haus für die erweiterte Lernwelt“ geht er von der Vorstellung aus, dass Lernumgebungen sich den Bedürfnissen der Lernenden anpassen und warnt davor, von der heutigen Schulrealität auf die Zukunft schliessen zu wollen. Für ihn sind in der Zukunft die folgenden Aspekte zentral:
- Parallele Formen des Präsenzunterrichts, wo unterschiedliche Aktivitäten nebeneinander Platz haben: „Praktische Arbeiten, intensiver Austausch in Gruppen, persönliche Gespräche, Vorlesungen, Spiele, stille digitale Arbeit.“
- Schnittstelle zur Natur: Die Schule als Oase, zu der auch Aussenflächen gehören.
- Empowerment: Der Schulraum soll von Lernenden selbst personalisiert werden können.
- Gemeinschaft: Kollaboratives Lernen. Fördern von Begegnungen zwischen Lernkulturen und Gemeinschaften. Offene Lehrerzimmer.
- Praxis: Schulen der Zukunft seien auch Maker- und Hackerspaces, „wo handwerkliche, unternehmerische und forschungsbezogene Fertigkeiten in Werkstätten, Gärten, Labors und anderen aktivierenden Umgebungen direkt eingesetzt werden.“
Wampfler betont das Prinzip Offenheit. Er stellt sich das Schulhaus der Zukunft eingebettet in eine grüne Landschaft, nach aussen offen vor. Kleine Gruppen mit einer Begleitperson organisieren ihren Unterricht weitgehend selbstständig. Sie arbeiten mit Portfolios. Die Schule biete selbst Verpflegungs- und Schlafplätze an. Interessant ist auch die Idee, dass Schüler selbst ein Café betreiben (S. 35).
Karl-Heinz Imhäuser: „Die Homebase löst das Klassenzimmer ab“
Karl-Heinz Imhäuser glaubt, dass das Klassenzimmer als Hort der Geborgenheit
ausgedient habe, das neue Klassenzimmer sei die Homebase oder das
Lernhaus. Er denkt darüber nach, was moderne Bildungsräume auszeichnet und
wie Pädagogik und Architektur ineinandergreifen. Im Interview mit Doris Fischer
sagt er: „Heterogenität ist der zentrale Punkt in der Bildung des 21.
Jahrhunderts geworden.“ Heute sei Inklusion „einer der wichtigen
Indikatoren dafür, wie weit unser Bildungssystem in der Lage ist, mit der
Unterschiedlichkeit der Lernenden umzugehen.“ (S. 29)
Dazu gehöre auch entsprechendes Mobiliar und technische Ausstattung:
Mitwachsende Tische, der Wechsel von Sitz- zu Stehpulten. Das Mobiliar werde
leichter und ermögliche dadurch mehr Flexibilität für einen raschen Umbau im
Raum (S. 33).
Als neue Raummodelle habe die Montag Stiftung
„Cluster“ definiert mit Lernorten, die Gemeinschaft ermöglichen, aber
auch Räume für individuelle, differenzierende Lernprozesse bereitstelle. Noch
weiter gehe die offene Lernlandschaft, wo sich das Lernen situativ entwickeln
könne. Imhäuser hat schon mehrere Schulumbauten begleitet und betont, dass neue
Unterrichtskonzepte auch im bestehenden Schulraum eingebracht werden könnten.
Dabei nehme man Wände raus, beziehe Verkehrsflächen mit ein und bespiele diese
grosse Fläche mit dem Lernkonzept. So könne ein neues Lernhaus entstehen, mit
„Gemeinschaftszonen, Differenzierungszonen, Lerninseln,
Nischenarbeitsplätzen, Teamstation, Ad-hoc-Lernstationen“ S. 30).
Die Mensa sei nicht mehr nur zum
Essen da, sondern auch für andere Aktivitäten. Auch Bibliotheken dürften im
Schulhaus der Zukunft neue Funktionen zukommen. Das digithek blog weist im Post Lernräume in
Bibliotheken auf den Workshop
„Vom Raum zum Lernraum“ hin, der am 25.09.15 an der UB Rostock
stattfand. Die Neuakzentuierung von Bibliotheken als Lernort sei allerdings
noch ein vergleichsweise junges Phänomen.
Kommentierte Links
- Educause: ELI Learning Space Rating System.
- Gibt Institutionen messbare Kriterien, um zu bewerten, wie gut Lernräume aktives Lernen unterstützen.
- Erweiterte Lernwelten: Was sind ERWEITERTE LERNWELTEN?
- Ein Konzept aus den Volkshochschulen für das Lernen in und mit den Volkshochschulen.
- Future Classroom Lab
- Vom European Schoolnet in Brüssel gegründetes Projekt „Labor für
das Schulzimmer der Zukunft“. Ziel: Umstrukturierung der Klassenzimmer
im Kontext neuer Lernformen. Auf das Projekt ITEC „Medien
im Klassenzimmer der Zukunft“ und das Werkzeug SDE, das eine Integration
von Web-Recherche und Didaktik ermöglicht, habe ich bereits im Post OER-Portale hingewiesen. - Ganztagesschulen: Schulbau und Schularchitektur. Aufsätze zu Lernräumen der Zukunft.
- Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“. Gute
Beispiele zu Schulbau und Schularchitektur und Interviews mit Fachleuten. - Hammerer, Franz (Hg.): Raumbildung. Wien 2012.
- Kompetenzzentrum Grundschulpädagogik: Aufsatz zur architektonischen Gestaltung von Bildungsräumen mit vier konkreten Beispielen, 43 Seiten.
- herrlarbig.de: Diskussionsaufruf: Das Klassenzimmer der Zukunft – Kreide oder iPad?
- Horizon Report 2015. Kurzfristige
Trends: Neugestaltung von Lernräumen. S. 18-20. - Imhäuser, Karl-Heinz, interviewt von Doris Fischer: Die Homebase löst das Klassenzimmer ab. In: Bildung Schweiz 10/2015, S. 28-33.
- Was zeichnet moderne Bildungräume aus? Wie greifen
Pädagogik und Architektur ineinander? - Lernräume aktuell: Schulen planen und bauen.
- Eine Beispielsammlung für
gelungene pädagogische Architektur. Informationen für Architekten, Pädagogen und alle, die sich mit dem
Bau und Umbau von Schulen befassen. - Luchetta, Simone (Text) und
Limina, Michele (Foto): Die Revolution von Niederhasli. Gregory Turkawka sorgt als Schulleiter mit neuen Lernmethoden für Aufruhr. In: Sonntagszeitung, 25.10.2015. - Selbstorganisiertes Lernen, altersdurchmischte Homebases, Jugendliche, die im Gross-Office lernen, begleitet von Lerncoachs.
- Montagstiftung. Jugend und
Gesellschaft. Pädagogische Architektur: Lebens- und Lernraum Schule. Grundlagen. Projekte. Planungshilfen. - Beitrag zu einer Schulbaukultur, in der Pädagogik und Architektur Hand
in Hand gehen, um gemeinsam bessere Bildungsbauten zu ermöglichen. - Publikationen:
- «Schulen planen und bauen– Grundlagen und Prozesse», Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft/Urbane Räume (Hg.), Verlag jovis 352 Seiten, EUR 34.80, CHF 48.00, ISBN 978-3-86859-124-8.
- Booklet und Film: «Phase Null – Der Film»; Pädagogik und Architektur im Dialog: Die Planung der Geschwister-Scholl-Stadtteilschule in Hamburg, Hg: Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, Verlag Jovis; Verlag Klett. Booklet 65 Seiten, EUR 18.– , ISBN 978- 3-86859-387-7.
- Raths, David: Campus Technology: How Do Your Learning Spaces Measure Up? 05.03.14.
- „Wie FLEXspace und das Learning Space Rating System
Bildungseinrichtungen dabei unterstützen, Best Practices im Lernraumdesign zu
teilen und zu entwickeln.“ (Horizon Report 2015, S. 19) - Stang, Richard: Spezialist für Medienpädagogik. Medienwissenschaft. Lernwelten.
- Tucker, Cathrin: Transform Your Classroom into a Makerspace. Blended Learning & Technology in the Classroom. 19.12.2014.
- UB
Rohstock Wiki: Workshop „Vom Raum zum Lernraum“. 25.09.2015. - Beiträge
aus der Lernraumpraxis und -forschung. Mit Videoaufzeichnungen und
Vorträgen! - Wampfler, Philippe: Ein Haus für die erweiterte Lernwelt. In: Bildung Schweiz 11/2015, S. 33-35.
- „Wird die Schule zum hochtechnisierten Lernkraftwerk? Wird sie nur
noch gelegentlicher Treffpunkt von an einem bestimmten Projekt
Interessierten sein? Wird sie Oase der Konzentration und Hort der
Gemeinschaft? Der Lehrer und Medienexperte Philippe Wampfler
denkt über das Schulhaus der Zukunft nach.“
Die Revolution von Niederhasli
Ein interessantes Projekt ist das Konzept der Sekundarschule Seehalde zum selbstorganisierten Lernen. Hier wird in
Homebases klassenübergreifend und selbstorganisiert wie in Grossraumbüros
gelernt. Das Sekundarschulhaus Seehalde in Niederhasli in der Schweiz öffnete am Samstag, 07.11.15 die Türen und lud zu einem Lernkongress.
Selbstorganisiertes Lernen – Bericht
SRF Schweiz Aktuell, 06.11.15